Goslar | 9.11.2022 | Anfang November trafen sich knapp 50 Anhänger*innen des »Ewigen Bund«, einer laut dem Bundesamt für Verfassungsschutz „schnell wachsende Reichsbürgergruppierung“ in Goslar, entzündeten vor der Kaiserpfalz Signalfackeln und schwenkten Reichsfahnen. Die Polizei bekam davon nichts mit. Zuvor leisteten die Reichsbürger einen feierlichen Eid auf „seine Majestät“ Georg Friedrich von Preußen, dem Urenkel des letzten Deutschen Kaiser. Angeführt wurde die Vereidigung von „Benni dem Preußen“, der zur rechten Hooligan-Szene von Eintracht Braunschweig gehört. Er betreut die Öffentlichkeitsarbeit des »Ewigen Bund« in den Sozialen Medien und verbreitet dort auch antisemitische Verschwörungsmythen, wie die „Protokolle der Weisen von Zion“.
Es war ein eigentlich recht auffälliges Spektakel welches sich Anfang November abendlichen Besucher*innen in Goslar darbot: Knapp 50 Personen stellten sich vor der Kaiserpfalz auf, entzündeten dutzende rote Signalfackeln und schwenkten schwarz-weiß-rote Reichs- und Preußen-Fahnen.
Bei der Pressestelle der Polizei Goslar weiß man aber auf Nachfrage von dokurechts.de zunächst nichts über den Vorfall, von dem auf der Webseite der Reichsbürgergruppierung »Ewiger Bund« ein Video zu sehen ist. Erst nach Rücksprache bei den zuständigen Fachbereichen teilt der Pressesprecher nach einigen Tagen mit, dass die Polizei nicht gerufen wurde und nicht vor Ort war. Sie sei erst im Nachhinein von einem Bürger auf das Video aufmerksam gemacht worden. Zur Frage, ob daraufhin Ordnungs- oder Strafverfahren eingeleitet wurden, äußerte sich die Polizei aus Datenschutzgründen nicht.
„Lasst die Fanale brennen!“
Als Anlass der Fackel-Aktion vor der Kaiserpfalz wird vom »Ewigen Bund« der Jahrestag des 9. November 1918 angeführt. An diesem „Schicksalstag der Deutschen“ sei auf „Bestreben und mit Unterstützung feindlicher Mächte insbesondere durch völkerrechtswidriges Verhalten“ unter der Führung der SPD den Deutschen ihre „goldenen Zukunft“ geraubt worden. Im Vorfeld des 9. Novembers 2022 rief der »Ewige Bund« auf: „Lasst die Fanale brennen! (…) Zeigen wir der Welt, dass die Deutschen zurück sind (…) Organisiert Euch und fahrt zu den Denkmälern! Egal ob ein Bismarkturm, eine Gedenkstätte oder ein passender Ort, lassen wir im gesamten Bundesgebiet die Fanale brennen !!„
Tatsächlich symbolisiert der 9. November 1918 den Beginn der Novemberrevolution, der die militärische Niederlage des Kaiserreichs besiegelte und das Ende der Monarchie und den Weg zu einer parlamentarischen Demokratie einleitete.
Für den „Ewigen Bund“ sind allerdings alle Regierungen, Verfassungen und Gesetze nach dem „27. Oktober 1918, 24 Uhr“ illegitim und das Kaiserreich mit samt seiner Gesetze existiere weiter, auch wenn es mangels Verwaltung handlungsunfähig sei. Der »Ewige Bund« und sein »Vaterländische Hilfsdienst« (VHD) arbeiten daran, diese Verwaltung wieder herzustellen, damit dann Georg Friedrich von Preußen als Nachfolger von Kaiser Wilhelm II. wieder die Regierungsgeschäfte übernehmen kann.
Im Video von der Aktion vor der Kaiserpfalz ist auch zu sehen und zu hören, wie den Beteiligten zuvor ein Eid abgenommen wird. Zu hören ist da ein Teil der Eidesformel, die im Kaiserreich von Soldaten auf den Kaiser oder den jeweiligen Landesherrn geleistet wurde:
„Ich schwöre zu Gott dem Allwissenden und Allmächtigen einen leiblichen Eid, dass ich seiner Majestät dem Kaiser … getreu und redlich diene(n) … die mir erteilten Vorschriften und Befehle genau befolgen und mich so betragen will, wie es einem rechtschaffenen, unverzagten, pflicht- und ehrliebenden Soldaten eignet und gebührt.“
„Benni der Preuße“: Ein Hooligan aus dem „Herzogtum Braunschweig“
Die Eidesformel im Video von einer Person vorgesprochen, die sich im Netz „Benni der Preuße“ nennt. „Benni der Preuße“ ist recht umtriebig bei »Bismarcks Erben« und dem mit ihm verbundenen »Ewigen Bund«, sowie bei der Unterorganisation »Vaterländischer Hilfsdienst« (VHD). Im Telegram-Chat des »Ewigen Bund« fungiert „Benni“ als Admin und „Offizieller“. Er selbst sagt, er sei „Leiter der Abteilung Soziale Medien“ und betreue die Öffentlichkeitsarbeit für „alle Kanäle auf allen Plattformen„.
Mit bürgerlichem Namen heißt „Benni der Preuße“ eigentlich Benjamin M. und fiel bereits als Teil der rechtsorientierten Hooligan-Szene von Eintracht Braunschweig auf. Fotos, die der Redaktion von dokurechts.de vorliegen, zeigen ihm im Kreise von Mitgliedern der Hooligan-Gruppen »Kategorie Braunschweig« und der »Alte Kameraden«. Die nutzen schon in den 80er Jahren eine schwarz-weiß-rote Reichsflagge mit dem der Aufschrift „Alte Kameraden“. Den Schriftzug „Kategorie Braunschweig“ hat sich Benjamin M. sogar in Frakturschrift auf seinen Rücken tätowieren lassen. Fotos zeigen ihn auch bei mindestens einer Versammlung des Braunschweiger PEGIDA-Ableger BRAGIDA. Auf einem anderen Foto ist Benjamin M. zu sehen, wie er den Hitlergruß zeigt.
Heute distanziert sich M. zwar vom „nationalsozialistischem Gedankengut“ und meint, dass der »Vaterländische Hilfsdienst« überhaupt nichts „mit den Reichsbürgern sowie Rechtsradikalen“ zu tun habe. Die NPD beschimpft er im Netz als „bezahlte Opposition von dem System der BRD“ und „Sklaven des System„.
Antisemitische Verschwörungsmythen, Jesus als Germane und Braunschweig als biblisches Jerusalem
In seinem Social-Media Profilen finden sich auch immer wieder antisemitische Aussagen. So zitiert er dort Anfang September General Ludendorff, der sich 1923 am Putschversuch von Adolf Hitler gegen die Weimarer Republik beteiligte, mit den Worten: „Karl der große brachte das jüdische christentum nach deutschland. Er zerstörte den alten germanischen Glauben in Wotan.“ (Rechtschreibfehler aus dem Original).
Bei Facebook beklagt Benni M. außerdem, dass die Leute ihn für verrückt erklären würden, nur weil er sage, dass „Jesus ein Germane war, sich alles bei uns abspielte, wir Nachkommen der Atlaner sind, und es keine Tempelritter gab, sondern nur uns, die Blonden Engel.“ Er glaubt zudem daran, dass Braunschweig das biblische Jerusalem und König David aus dem alten Testament eigentlich Heinrich der Löwe sei.
Über die antisemitischen „Protokolle der Weisen von Zion“ sagt Benjamin M., dass er sie „nicht für eine Fälschung halte„. Die angeblichen „Protokolle“ einer jüdischen Weltverschwörung sind von Wissenschaftler*innen als eindeutige Fälschung entlarvt. Sie sind dennoch eines der „weitverbreitetsten und hartnäckigsten Dokumente des modernen Antisemitismus„, wie die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt. Den Nazis dienten sie als eine Begründung für den Holocaust.
In einem Facebook-Post vom 5. April 2021 schreibt Benjamin M. zu Fotos, die Politiker*innen, darunter z.B. den niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius, gemeinsam mit Vertreter*innen des Judentums zeigen:
„Braucht es noch mehr Beweise, dass sie alle aus Zions Trog fressen? Zion ist das Krebsgeschwür der Erde. An ihnen wird, sofern sich nichts ändert die ganze Menschheit zugrunde gehen. Es muss verstanden werden, wer der wahre Feind des MENSCHEN und ALLER LEBEWESEN ist.“
Dann folgt eine Aussage, die auch als Leugnung des Holocaust verstanden werden kann:
„Uns Deutsche trifft geschichtlich betrachtet KEINE Schuld. Dieser Kult der ewigen Sünde welcher unserem Volk aufgezwungen wurde, entspringt lediglich der Alliierten Schublade und ist in KEINSTER Art und Weise Tatsächlichkeit! Dieser Sachverhalt wurde lediglich erfunden bzw. konzipiert um die gewaltigen marsierten Verbrechen, welche von alliierter Seite AM Deutschen begangen wurden, zu rechtfertigen.“
Sich selbst bezeichnet sich Bejamin M. als „Monarchistischer Völkerrechtsextremist im Bundesgebiet„. In typischer Reichsbürger-Manier meint er, da er seine Staatsangehörigkeit nachgewiesen habe, sei er nun im Gegensatz zu „juristischen Personen ohne Rechte, Handelsrecht, wie die ganze BRD“ nur dem „Staatsrecht, Völkerrecht“ unterworfen und damit könne ihm „keiner mehr was hier keine Polizei kein Gericht„. Dementsprechend bezeichnet er Polizeibeamt*innen als „Söldner ohne hoheitliche Befugnisse“.
„Ich leistete meinen Eid auf die Verfassung von 1871 und auf Thron und Reich und diene meinem Kaiser und halte mich an gültiges Recht, der Verfassung von 1871. Die BRD ist nur im geltend gemachten Handelsrecht.“
Post von „Benni M…“ am 19.10.2020 auf facebook.com
Lerngruppen statt Schulpflicht
Selbst seinen minderjährigen Sohn nutzt der alleinerziehende Vater, um für den »Ewigen Bund« zu werben. Unter dem Titel „Wer sind Wir? Die Gesichter des Ewigen Bundes“ ist auf der Webseite der Gruppierung ein Video zu sehen, auf dem Benni M. seinen Sohn auf dem Arm hält und dieser in die Kamera sagt: „Ich bin L…. der Preuße, aus Unrecht kann kein Recht erwachsen.„
Der »Ewige Bund« will schon den Kleinsten „Kaisertreue“ und Manneszucht“ beibringen. Dafür soll die Initiative »Eltern für ihre Kinder« dienen, auf deren Webseite „Benni“ als ihr „Leiter“ vorgestellt wird.
Die Initiative ruft dazu auf, Kinder nicht in die Schule zu schicken und stattdessen in selbstorganisierten Lerngruppen mit Unterrichtsmaterial aus dem Kaiserreich zu unterrichten. Um die Kinder von der Schule abzumelden, stellt die Initiative eine Vorlage zur Verfügung, in der es heißt: „mangels handlungsfähiger Schulbehörde teile ich Euch als Bundesfürst und oberste Schulbehörde untertänigst mit, daß mein/e Knabe /Tochter >Rufname< ab dem Datum< zu Hause beschult wird.“ Geschickt werden soll das Schreiben an den jeweiligen „Landesfürsten„, da es in der Logik der Reichsbürger ja keine legitime Schulbehörde gibt. Immerhin knapp 1.000 Menschen sind in der Telegram-Chat-Gruppe der Initiative. In der Regionalgruppe für den Postleitzahlenbereich 3 sind fast 60 Mitglieder. Eine Lerngruppe gibt es auch für den „Regionalbereich Hannover/Braunschweig“ erfährt man auf der Webseite.
„Hilfsdienstreffen“ in der Region
Wer seine Staatsangehörigkeit entsprechend dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913 nachweist, kann in den »Vaterländischen Hilfsdienst« aufgenommen werden. Der „Hilfsdienst“ ist entsprechend der kaiserlichen Militärverwaltung in „Armeekorpsbezirke“ aufgeteilt. Das Gebiet des „Herzogtum Braunschweig“ gehört dabei zum „X. Armeekorpsbezirk Hannover„. Immer wieder finden auch in der Region Braunschweig sogenannte „Hilfsdiensttreffen“ des VHD statt. So berichtet der VHD beispielsweise von einem Treffen am 1. Oktober 2022. Auf einem Foto davon sind 19 Personen zu sehen, darunter auch Benjamin M. und sein Sohn. Während im Telegram-Chat des »Ewigen Bund« fast 4.000 Mitglieder sind, hat der Telegram-Kanal „Ewiger Bund Braunschweig“ bisher nur 37 Abonnent*innen. Dort finden sich vor allem Beiträge und Dokumente zur Geschichte des „Herzogtum Braunschweig“, aber auch die Aufforderung die „kostenlose Lernplattform“ des »Ewigen Bund« zu besuchen, auf der Online-Kurse und Videos zur Ideologie und Rechtsauffassung des »Ewigen Bund« bereitgestellt werden.